Alexander Rußetzki
Gesundheitscoaching und Physiotherapie

Psychologisch fundierte Physiotherapie - alles nur eingebildet?

Beschwerden sind real – und dennoch vielschichtig

Viele Menschen reagieren empfindlich, wenn es heißt, dass auch die Psyche bei Schmerzen eine Rolle spielt. Der Gedanke liegt nahe: „Sind meine Beschwerden etwa nur eingebildet?“ Die Antwort ist eindeutig: Nein. Schmerzen und Funktionsstörungen sind real. Aber die Forschung zeigt klar, dass neben körperlichen Prozessen auch Gedanken, Einstellungen und Gefühle entscheidend beeinflussen, wie stark Beschwerden empfunden werden und wie gut Heilung verläuft.


Wie Gedanken und Gefühle den Körper beeinflussen

Wer optimistisch ist, aktiv mitarbeitet und an seine Genesung glaubt, unterstützt damit die körperliche Heilung. Stress, Angst oder negative Erwartungshaltungen dagegen können den Schmerz verstärken, die Regeneration verlangsamen und zu zusätzlichen Verspannungen führen. Auch Grübeln und Katastrophisieren – also die Erwartung, dass alles schlimmer wird – tragen dazu bei, dass Beschwerden anhalten oder sich sogar verschlimmern.


Der Weg in die Chronifizierung

Besonders deutlich zeigt sich der Einfluss der Psyche bei chronischen Schmerzen. Viele Betroffene geraten in einen Kreislauf: Aus Angst vor Schmerz vermeiden sie Bewegung, wodurch Muskulatur und Beweglichkeit nachlassen. Diese körperlichen Einschränkungen führen wiederum zu neuen Schmerzen – was die Angst bestätigt und den Rückzug verstärkt. Hinzu kommen oft negative Gedanken, sozialer Rückzug oder die Erwartung, nur passive Behandlungen könnten helfen. So entsteht ein selbstverstärkender Kreislauf, in dem der Schmerz zunehmend ein Eigenleben entwickelt.

Psychologisch fundierte Physiotherapie – ein ganzheitlicher Ansatz

Psychologisch fundierte Physiotherapie verbindet die bewährten Methoden der Physiotherapie mit psychologischen Strategien. Dabei geht es nicht darum, die Beschwerden „ins Seelische abzuschieben“, sondern die bekannten Zusammenhänge zwischen Körper und Psyche gezielt zu nutzen. Typische Elemente sind:

  • Aufklärung (Psychoedukation): Verstehen, wie Schmerzen entstehen und warum sie auch ohne akuten Gewebeschaden bestehen bleiben können. Dieses Wissen nimmt Ängste und gibt Sicherheit.
  • Gedankenarbeit (Kognitive Strategien): Ungünstige Überzeugungen wie „mein Rücken ist kaputt“ werden überprüft und durch realistische, hilfreiche Sichtweisen ersetzt.
  • Aktivierung (Verhaltenstraining): Unter Anleitung werden Bewegungen schrittweise wieder aufgenommen. Dies baut Schonhaltungen ab, steigert das Vertrauen in den Körper und bringt Erfolgserlebnisse.
  • Entspannung und Achtsamkeit: Methoden wie progressive Muskelrelaxation, Atemübungen oder Meditation helfen, Stressreaktionen zu verringern und die Körperwahrnehmung zu verbessern.
  • Mentales Training: Positive Vorstellungsbilder, z. B. von schmerzfreien Bewegungen, können die Verarbeitung im Nervensystem günstig beeinflussen und die Heilung unterstützen.


Mehr Wirksamkeit durch Kombination

Studien zeigen, dass physiotherapeutische Behandlungen erfolgreicher sind, wenn psychologische Ansätze integriert werden. Patienten und Patientinnen berichten von stärkerer Schmerzlinderung, mehr Beweglichkeit und besserem seelischen Gleichgewicht, wenn sie aktiv in den Prozess eingebunden sind und lernen, den eigenen Einfluss auf ihre Gesundheit zu nutzen.


Fazit

Psychologisch fundierte Physiotherapie bedeutet nicht, dass Beschwerden „eingebildet“ sind. Sie anerkennt vielmehr, dass Schmerz und Heilung immer ein Zusammenspiel von Körper und Psyche sind. Indem physiotherapeutische Maßnahmen mit psychologischen Strategien kombiniert werden, lassen sich Heilungsverläufe positiv beeinflussen, Schmerzen wirksamer reduzieren und Rückfälle verhindern. Es geht darum, die Selbstwirksamkeit zu stärken und Patientinnen und Patienten in die Lage zu versetzen, ihre Gesundheit aktiv mitzugestalten.